Veröffentlicht am März 12, 2024

Entgegen der landläufigen Meinung ist Kreativität kein angeborenes Talent, sondern ein trainierbarer Muskel, der durch systematische Praxis gestärkt wird.

  • Der weitverbreitete Glaube, „nicht kreativ zu sein“, ist meist eine erlernte Blockade, keine biologische Tatsache.
  • Tägliche, winzige kreative Handlungen (Mikro-Routinen) sind weitaus effektiver für die Entwicklung als seltene, große Anstrengungen.

Empfehlung: Beginnen Sie noch heute mit einer einzigen 10-Minuten-Übung und stellen Sie konsequent den Prozess über die Perfektion.

Kennen Sie diesen leisen, nagenden Gedanken, wenn Sie ein beeindruckendes Bild, einen clever geschriebenen Text oder ein liebevoll gestaltetes Zuhause sehen? Der Gedanke, der flüstert: „Das ist wunderschön, aber ich könnte das niemals.“ Diese Überzeugung, kreativ begabten Menschen gegenüber auf der anderen Seite einer unsichtbaren Linie zu stehen, ist tief in unserer Kultur verankert. Viele von uns haben die Idee der Kreativität auf ein Podest gehoben – eine fast magische Gabe, die nur wenigen Auserwählten bei der Geburt zuteilwird. Wir werden ermutigt, Inspiration zu suchen oder auf den perfekten Moment zu warten, doch oft führt das nur zu Frustration und dem Gefühl, einfach nicht „dazuzugehören“.

Doch was wäre, wenn diese gesamte Vorstellung auf einem fundamentalen Missverständnis beruht? Was, wenn Kreativität weniger mit einem göttlichen Funken und mehr mit dem Training eines Muskels zu tun hat? Die moderne Kreativitätsforschung und die Kunsttherapie zeigen ein klares Bild: Schöpferische Fähigkeiten sind keine feste Eigenschaft, sondern eine trainierbare Kompetenz. Der wahre Schlüssel liegt nicht im Warten auf Inspiration, sondern im aktiven, regelmäßigen Tun – selbst in kleinsten Dosen. Es geht darum, die erlernten Blockaden wie Perfektionismus und Selbstzweifel systematisch abzubauen und durch die Freude am Prozess zu ersetzen.

Dieser Artikel ist Ihr Praxisleitfaden, um den Mythos des „Talentierten“ zu entkräften. Wir werden gemeinsam entdecken, warum die Aussage „Ich bin nicht kreativ“ eine erlernte Lüge ist, wie Sie mit nur zehn Minuten pro Tag Ihren Kreativitäts-Muskel trainieren und wie Sie diesen Prozess dauerhaft in Ihr Leben integrieren, um nicht nur Neues zu schaffen, sondern auch ein tieferes Gefühl von Sinn und psychischem Wohlbefinden zu erfahren.

Um Sie auf diesem Weg zu begleiten, haben wir die wichtigsten Aspekte strukturiert. Der folgende Überblick führt Sie durch die zentralen Schritte, um Ihre kreative Ader wiederzuentdecken und zu nähren.

Warum „Ich bin nicht kreativ“ eine erlernte Überzeugung ist, keine Tatsache?

Der Satz „Ich bin nicht kreativ“ wird oft wie eine unumstößliche Wahrheit ausgesprochen. Doch in den meisten Fällen ist er das Ergebnis einer langen Kette von Erfahrungen: ein kritischer Kommentar eines Lehrers in der Kindheit, der Vergleich mit einem vermeintlich „talentierteren“ Geschwisterkind oder das gesellschaftliche Bild des genialen, leidenden Künstlers, mit dem wir uns nicht identifizieren können. Diese Erlebnisse formen eine erlernte Kreativitäts-Blockade. Wir beginnen zu glauben, dass Kreativität eine angeborene Eigenschaft ist, die man entweder hat oder nicht – ein gefährlicher Mythos, der Millionen von Menschen davon abhält, ihr schöpferisches Potenzial zu nutzen.

Wissenschaftlich betrachtet ist das Gehirn ein neuroplastisches Organ. Das bedeutet, es verändert sich ständig basierend auf unseren Handlungen und Gedanken. Kreativität ist dabei keine isolierte Funktion, sondern ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Gehirnregionen, das wie jede andere Fähigkeit – sei es eine Sprache lernen oder Sport treiben – trainiert werden kann. Die Überzeugung, unkreativ zu sein, wirkt wie eine selbsterfüllende Prophezeiung: Wer nicht an seine Fähigkeiten glaubt, versucht es erst gar nicht und gibt dem „Kreativitäts-Muskel“ keine Chance zu wachsen. Eine Adobe-Studie bestätigt dieses ungenutzte Potenzial und zeigt, dass nur etwa 30 % der Menschen in Deutschland ihr kreatives Potenzial laut eigener Aussage voll ausschöpfen.

Der erste und wichtigste Schritt ist daher eine mentale Neuausrichtung: Betrachten Sie Kreativität nicht als Identitätsmerkmal, sondern als eine Praxis. Es geht nicht darum, „ein Kreativer zu sein“, sondern darum, „kreativ zu handeln“. Diese kleine Verschiebung der Perspektive öffnet die Tür für Experimente und befreit uns vom Druck, sofort ein Meisterwerk schaffen zu müssen.

Wie Sie in 10 Minuten täglich Kreativität üben ohne künstlerisches Talent?

Die größte Hürde für den Einstieg in eine kreative Praxis ist oft die Vorstellung, dafür Stunden an Zeit blocken zu müssen. Die gute Nachricht: Das Gegenteil ist der Fall. Kurze, aber regelmäßige Einheiten sind für den Aufbau einer Gewohnheit und die Stärkung neuronaler Verbindungen weitaus wirksamer als seltene, marathonartige Sitzungen. Das Konzept der Mikro-Handlungen ist hier entscheidend. Es geht darum, die Einstiegsschwelle so niedrig wie möglich zu halten, um dem inneren Widerstand keine Chance zu geben.

Zehn Minuten pro Tag sind ein perfekter Startpunkt. In dieser Zeit geht es nicht um das Ergebnis, sondern ausschließlich um den Prozess. Es ist eine Form der aktiven Meditation, ein Moment des Spiels ohne Erwartungsdruck. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, diese zehn Minuten fest in den Tagesablauf zu integrieren, genau wie das Zähneputzen. Hier sind einige einfache Routinen, die Sie sofort umsetzen können:

  • Kritzel-Aufwärmübung: Füllen Sie eine Seite mit Kreisen, Linien, Wellen oder Mustern, ohne ein bestimmtes Ziel.
  • Ein-Satz-Tagebuch: Schreiben Sie am Ende des Tages nur einen einzigen Satz auf, der ein Gefühl, eine Beobachtung oder einen Gedanken zusammenfasst.
  • Gegenstands-Skizze: Wählen Sie einen beliebigen Gegenstand in Ihrer Nähe – eine Kaffeetasse, einen Stift, eine Pflanze – und versuchen Sie, seine Umrisse in zwei Minuten zu skizzieren. Es geht um das Sehen, nicht um die Perfektion der Zeichnung.
  • Wort-Assoziation: Nehmen Sie ein zufälliges Wort aus einem Buch und schreiben Sie fünf Minuten lang alles auf, was Ihnen dazu in den Sinn kommt.

Fallbeispiel: The 100 Day Project

Ein inspirierendes Beispiel für die Kraft der täglichen Praxis ist „The 100 Day Project“. Ursprünglich 2009 von der Designerin Emma Rogan initiiert, hat sich dieses globale Projekt zu einer Bewegung entwickelt. Teilnehmer wählen ein einfaches kreatives Projekt – sei es ein Foto pro Tag, eine tägliche Skizze oder das Schreiben eines Haikus – und führen es 100 Tage lang konsequent durch. Tausende Menschen teilen ihre Fortschritte online und beweisen damit, dass nicht Talent, sondern die disziplinierte Wiederholung der Schlüssel zur Entfaltung kreativer Gewohnheiten ist.

Malen, Schreiben oder Musik: Welche kreative Praxis passt zu Ihnen?

Wenn die Entscheidung für eine regelmäßige kreative Praxis gefallen ist, stellt sich die nächste Frage: Welche Aktivität ist die richtige für mich? Die Auswahl kann überwältigend wirken. Doch anstatt ziellos etwas auszuprobieren, können Sie die Wahl als einen Akt der Selbstreflexion betrachten. Es geht darum, eine Praxis zu finden, die nicht nur zu Ihren Interessen, sondern auch zu Ihrer Persönlichkeit und Ihren Bedürfnissen passt.

Stellen Sie sich folgende Fragen: Suchen Sie eher einen stillen, introspektiven Prozess oder eine Aktivität, die Sie mit anderen teilen können? Arbeiten Sie lieber mit den Händen oder mit dem Kopf? Hier sind einige Anregungen, um die passende Nische zu finden:

  • Für die Haptischen und Visuellen: Wenn Sie es lieben, mit Materialien zu arbeiten und sichtbare Ergebnisse zu schaffen, könnten Malen, Zeichnen, Töpfern, Stricken oder Holzarbeiten das Richtige sein. Selbst Gartenarbeit oder Kochen kann ein zutiefst kreativer Akt sein.
  • Für die Wortgewandten und Nachdenklichen: Wenn Sie Ihre Gedanken und Gefühle am besten in Worte fassen können, ist das Schreiben ideal. Das kann in Form eines Tagebuchs, kurzer Geschichten, Gedichte oder sogar eines Blogs geschehen.
  • Für die Rhythmischen und Auditiven: Wenn Musik Sie tief berührt, könnte das Erlernen eines Instruments, das Singen in einem Chor oder sogar das Experimentieren mit digitalen Musikprogrammen eine erfüllende Praxis sein.
  • Für die Körperbewussten und Ausdrucksstarken: Kreativität muss nicht statisch sein. Tanz, Improvisationstheater oder sogar die Entwicklung einer Yoga-Sequenz sind Formen des körperlichen kreativen Ausdrucks.

Dieser Prozess der Auswahl ist nicht in Stein gemeißelt. Es ist erlaubt und sogar erwünscht, verschiedene Dinge auszuprobieren. Das Wichtigste ist, eine Aktivität zu wählen, die Ihnen ein Gefühl von Flow und Neugier vermittelt, anstatt zusätzlichen Druck zu erzeugen.

Hände arbeiten mit verschiedenen kreativen Materialien in harmonischer Anordnung

Wie diese Darstellung zeigt, kann sich kreativer Ausdruck in unzähligen Formen manifestieren. Von der feinen Bewegung eines Pinsels über das Formen von Ton bis hin zum Anschlagen einer Saite – jede Geste ist eine Verbindung zu unserem inneren schöpferischen Kern. Finden Sie die Geste, die sich für Sie am authentischsten anfühlt.

Der Perfektionismus, der 80% der kreativen Versuche im Keim erstickt

Sie haben eine Aktivität gewählt und sich zehn Minuten Zeit genommen. Sie setzen den Stift an, doch eine innere Stimme schreit: „Das wird sowieso nichts!“, „Das sieht schrecklich aus!“ oder „Andere können das viel besser.“ Willkommen beim Perfektionismus, dem Erzfeind der Kreativität. Er ist die lähmende Angst vor dem Urteil (sowohl dem eigenen als auch dem anderer) und der unnachgiebige Drang, ein fehlerloses Ergebnis zu produzieren. Dieser Drang führt paradoxerweise oft dazu, dass wir gar nicht erst anfangen.

Wie die Psychologin PD Dr. Dorota Reis von der Universität des Saarlandes erklärt:

Mangelnde Kreativität: Kreativität lebt von Experimenten und Unvollkommenheit. Wenn wir zu perfektionistisch sind, tun wir uns schwer, unkonventionelle Wege zu gehen.

– PD Dr. Dorota Reis, Psychologin, Universität des Saarlandes

Dieses Streben nach Perfektion ist kein persönliches Versagen, sondern ein wachsendes gesellschaftliches Phänomen. Eine Studie mit 40.000 Studierenden belegt, dass der Perfektionismus bei jungen Erwachsenen in den letzten Jahrzehnten signifikant zugenommen hat, angetrieben durch sozialen Druck und ständige Vergleichsmöglichkeiten. Die wichtigste Strategie dagegen lautet: Prozess vor Perfektion. Das Ziel ist nicht, ein Meisterwerk zu schaffen, sondern die Handlung des Schaffens selbst zu vollziehen. Jeder „Fehler“ ist dabei kein Scheitern, sondern ein wertvoller Datenpunkt auf dem Weg des Lernens.

Ihr Aktionsplan gegen Perfektionismus: Die 80/20-Regel

  1. Definieren Sie „Gut genug“: Legen Sie vor Beginn einer kreativen Einheit fest, was ein akzeptables Ergebnis ist. Oft reichen 80 % des perfekten Ergebnisses völlig aus.
  2. Setzen Sie klare Zeitlimits: Nutzen Sie einen Timer (z. B. für Ihre 10-Minuten-Einheit). Wenn die Zeit abgelaufen ist, ist die Arbeit beendet, egal wie „unfertig“ sie sich anfühlt.
  3. Fokussieren Sie auf Fortschritt: Führen Sie ein einfaches Logbuch. Notieren Sie nicht die Qualität, sondern nur, DASS Sie Ihre kreative Übung gemacht haben.
  4. Feiern Sie den Abschluss: Würdigen Sie jedes abgeschlossene Projekt, egal wie klein. Der Akt des Fertigstellens ist ein Erfolg an sich und trainiert den „Abschluss-Muskel“.
  5. Planen Sie Experimente: Nehmen Sie sich bewusst vor, etwas „hässliches“ oder „falsches“ zu schaffen. Dies senkt den Druck und öffnet Raum für unerwartete Entdeckungen.

Wie integrieren Sie kreative Praxis dauerhaft in ein volles Leben?

Die anfängliche Motivation ist oft hoch, doch der Alltag mit seinen Verpflichtungen, seiner Müdigkeit und seinen unvorhergesehenen Ereignissen ist der größte Feind jeder neuen Gewohnheit. Wie schaffen Sie es also, dass Ihre kreative Praxis nicht nach zwei Wochen wieder im Sand verläuft? Der Schlüssel liegt in der strategischen Gewohnheitsbildung, die auf psychologischen Prinzipien basiert, anstatt sich allein auf Willenskraft zu verlassen.

Eine zentrale Erkenntnis der Forschung ist die Macht der Kontinuität. Eine einflussreiche Studie von Phillippa Lally und ihrem Team zeigt, dass es im Schnitt 66 Tage täglicher Wiederholung bedarf, bis eine neue Handlung zu einer automatischen Gewohnheit wird. Die ersten zwei Monate sind also die kritischste Phase. Um diese zu überstehen, ist es entscheidend, die Kette nicht abreißen zu lassen. Ein sogenannter Habit-Tracker, in dem Sie für jeden Tag, an dem Sie Ihre Praxis durchgeführt haben, ein Kreuz machen, kann hier visuell enorm motivieren.

An besonders stressigen oder vollen Tagen ist die „Alles-oder-Nichts“-Falle am gefährlichsten. Man denkt: „Wenn ich keine 10 Minuten habe, lasse ich es ganz.“ Hier hilft das Prinzip der Mini-Versionen. Es geht darum, die Gewohnheit unter allen Umständen aufrechtzuerhalten, selbst in ihrer kleinstmöglichen Form. Die Kontinuität ist wichtiger als die Intensität. Hier einige Beispiele:

  • Statt einer Seite im Tagebuch zu schreiben, notieren Sie nur einen einzigen Satz.
  • Statt einer 10-minütigen Skizze, zeichnen Sie nur eine einzige Linie mit Bedacht.
  • Statt 30 Minuten Gitarre zu üben, spielen Sie nur einen einzigen Akkord.

Diese winzigen Aktionen mögen bedeutungslos erscheinen, aber sie senden ein starkes Signal an Ihr Gehirn: „Ich bin eine Person, die ihre kreative Praxis pflegt, egal was passiert.“ So bleibt die Gewohnheit am Leben und kann an weniger stressigen Tagen wieder zu ihrer vollen Größe anwachsen.

3 Meisterwerke oder 300 Werke: Welche Strategie bereichert mehr?

In unserer ergebnisorientierten Kultur neigen wir dazu, Qualität über alles zu stellen. Wir träumen davon, das eine perfekte Foto zu schießen, den einen brillanten Roman zu schreiben oder das eine Meisterwerk zu malen. Diese Fixierung auf Qualität führt jedoch oft zu einer Blockade. Die Angst, diesem hohen Anspruch nicht gerecht zu werden, lähmt uns. Eine faszinierende Anekdote aus dem Buch „Art & Fear“ illustriert eine kraftvolle Alternative: die Strategie der Quantität.

Ein Keramiklehrer teilte seine Klasse in zwei Gruppen. Die eine Gruppe wurde nach der Qualität ihrer Arbeit benotet – sie musste nur einen einzigen, perfekten Topf abliefern. Die andere Gruppe wurde rein nach Quantität benotet: 25 Kilo Ton entsprachen der Note 1, 20 Kilo der Note 2, und so weiter. Das Ergebnis am Ende des Semesters war verblüffend: Die besten Töpfe, die qualitativ hochwertigsten Werke, kamen ausnahmslos von der Quantitäts-Gruppe. Während die Qualitäts-Gruppe über Perfektion theoretisierte und gelähmt war, hatte die Quantitäts-Gruppe einfach gearbeitet, hunderte von Töpfen hergestellt, aus Fehlern gelernt und ihre Fähigkeiten in der Praxis verfeinert.

Diese Geschichte verdeutlicht ein Kernprinzip der kreativen Entwicklung: Quantität ist der direkteste Weg zu Qualität. Jeder Versuch, egal wie „misslungen“, ist eine Wiederholung, die motorische Fähigkeiten schult, neue neuronale Bahnen anlegt und das Auge für Ästhetik schärft.

Künstlerisches Atelier mit vielen kleinen Werken neben einem großen Meisterwerk

Wie in einem Künstleratelier, wo unzählige Skizzen und Studien oft einem einzigen großen Werk vorausgehen, ist der kreative Prozess ein Spiel der Zahlen. Das Streben nach einer hohen Frequenz an kleinen Werken befreit vom Druck des Gelingen-Müssens und fördert eine spielerische, experimentelle Haltung. Der Fokus auf Quantität hat tiefgreifende Auswirkungen auf unser Gehirn und unser Selbstbild, wie eine vergleichende Analyse der Ansätze zeigt.

Quantität vs. Qualität in der kreativen Praxis
Aspekt 300 Werke (Quantität) 3 Meisterwerke (Qualität)
Neuroplastizität Hohe Frequenz neuer Herausforderungen trainiert das Gehirn optimal Tiefe Verarbeitung stärkt spezifische neuronale Verbindungen
Fehlerkultur Fehler als normale Lernschritte akzeptiert Risiko von Perfektionismus-Blockaden
Flow-Zustand Häufiger erreichbar durch Routine Intensiver, aber seltener
Selbstwertgefühl Viele kleine Erfolge stärken Vertrauen Große Erfolge, aber auch größere Frustration möglich

Wie Sie in 4 Schritten Ihren authentischen Einrichtungsstil entdecken?

Kreativität ist nicht auf künstlerische Disziplinen beschränkt. Sie ist eine Haltung, die sich auf alle Lebensbereiche übertragen lässt – insbesondere auf die Gestaltung unseres direkten Umfelds. Die eigenen vier Wände sind oft ein Spiegelbild standardisierter Katalog-Ästhetik statt Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Die Entdeckung Ihres authentischen Einrichtungsstils ist daher kein Konsumakt, sondern ein zutiefst kreativer Prozess der Selbstfindung.

Anstatt globale Trends von Instagram oder Pinterest zu kopieren, können Sie einen archäologischen Ansatz verfolgen, um herauszufinden, was wirklich zu Ihnen passt. Es geht darum, Ihre Sinne zu schärfen, Ihre Umgebung bewusst wahrzunehmen und eine persönliche Verbindung zu Objekten, Farben und Materialien aufzubauen. Dieser Prozess befreit von dem Druck, einem bestimmten Stil (wie „skandinavisch“ oder „industrial“) entsprechen zu müssen, und öffnet den Raum für einen einzigartigen, persönlichen Mix.

Hier sind vier kreative Schritte, um Ihren inneren Stil-Kompass zu finden:

  • Schritt 1: Flohmarkt-Archäologie: Besuchen Sie Flohmärkte, aber mit einer neuen Mission: nicht um zu kaufen, sondern um zu beobachten. Welche Objekte ziehen Ihre Hand magisch an? Welche Formen, Materialien und Farben lösen ein Gefühl der Freude oder Nostalgie aus? Machen Sie Fotos von diesen Dingen, um Muster in Ihren Vorlieben zu erkennen.
  • Schritt 2: Regionale Inspiration statt globaler Trends: Machen Sie Spaziergänge in Ihrer eigenen Stadt oder Region. Achten Sie auf architektonische Details, historische Farbpaletten oder die Materialien, die traditionell verwendet werden. Oft liegt die authentischste Inspiration direkt vor unserer Haustür.
  • Schritt 3: Das „Künstlertreff“ mit sich selbst: Nehmen Sie sich zweimal pro Woche 20 Minuten Zeit für einen Spaziergang ohne Ziel und ohne Handy. Lassen Sie Ihren Blick schweifen und nehmen Sie die Welt wie ein Künstler wahr. Welche Lichtstimmungen, Texturen oder Farbkombinationen fallen Ihnen in der Natur oder im urbanen Raum auf?
  • Schritt 4: Der kreative Akt des Gestaltens: Wählen Sie ein kleines, unscheinbares Möbelstück und gestalten Sie es um (Upcycling). Streichen Sie es in einer unerwarteten Farbe, ändern Sie die Griffe oder bekleben Sie es. Dieser praktische Akt des Schaffens verbindet Sie auf einer tieferen Ebene mit Ihrem Zuhause.

Das Wichtigste in Kürze

  • Kreativität ist keine Gabe, sondern ein trainierbarer Muskel, der durch regelmäßige Praxis wächst.
  • Beginnen Sie mit täglichen 10-Minuten-Einheiten, um die Gewohnheit ohne Druck aufzubauen (Mikro-Handlungen).
  • Stellen Sie den Prozess über die Perfektion: Quantität führt langfristig zu Qualität, indem sie Fehler entmystifiziert.

Wie Sie tiefes psychisches Wohlbefinden durch Wertalignment erreichen

Am Ende der kreativen Reise steht eine Erkenntnis, die weit über das Schaffen schöner Dinge hinausgeht. Die nachhaltigste Motivation für eine kreative Praxis entspringt nicht dem Wunsch nach Anerkennung oder perfekten Ergebnissen, sondern der tiefen Verbindung zu unseren persönlichen Werten. Wenn unser kreatives Handeln zu einem Ausdruck dessen wird, was uns im Kern wichtig ist, sprechen wir von Wert-Alignment. Dieser Zustand ist eine kraftvolle Quelle für psychisches Wohlbefinden und Lebenssinn.

Kreativität wird so zur Brücke zwischen unseren abstrakten Überzeugungen und konkretem, alltäglichem Handeln. Anstatt nur zu *denken*, dass Gemeinschaft wichtig ist, treten Sie dem örtlichen Gesangsverein bei und *erleben* Gemeinschaft durch das gemeinsame Schaffen von Musik. Anstatt nur über Nachhaltigkeit zu *reden*, erlernen Sie die Kunst des „Visible Mending“, um Kleidung sichtbar und kunstvoll zu reparieren, und machen Ihren Wert greifbar. Diese Verbindung von Wert und Handlung schafft ein tiefes Gefühl der Kohärenz und Authentizität.

Fallbeispiel: Kreativität als Brücke zu persönlichen Werten

In Deutschland finden sich zahlreiche Beispiele für dieses Prinzip. Eine Person mit dem Wert „Gemeinschaft“ findet Erfüllung im Beitritt zum örtlichen Gesangsverein. Jemand, dem „Nachhaltigkeit“ am Herzen liegt, erlernt kreative Reparaturtechniken wie ‚Visible Mending‘ oder legt einen Wurmkompost an. Ein Mensch, der „Lernen“ als zentralen Wert hat, beginnt, täglich eine neue Vokabel kalligrafisch zu schreiben. In all diesen Fällen wird die kreative Handlung zum gelebten Ausdruck der eigenen Überzeugungen und schafft so ein nachhaltiges psychisches Wohlbefinden.

Letztendlich geht es darum, die eigene Definition von Kreativität zu erweitern. Es ist nicht nur Kunst, sondern auch Problemlösung, Gartenarbeit, Kochen, die Organisation eines Nachbarschaftsfestes oder die liebevolle Gestaltung eines Alltagsrituals. Wie der Neurowissenschaftler Dr. Volker Busch es treffend formuliert:

Bei Kreativität geht es darum, bestimmte Denkgewohnheiten zu hinterfragen, sich selbst Raum zu geben und regelmäßig zu üben.

– Dr. Volker Busch, aus dem Buch ‚Kopf frei‘

Wenn wir aufhören, Kreativität als eine Leistung zu sehen, und anfangen, sie als einen Weg zu leben, wird sie zu einem verlässlichen Anker für unsere geistige Vitalität und unseren Lebenssinn.

Wählen Sie noch heute eine einzige Mikro-Handlung aus diesem Leitfaden und beginnen Sie Ihre Reise. Ihr kreativer Muskel wartet darauf, trainiert zu werden.

Geschrieben von Martin Weber, Dr. Martin Weber ist Facharzt für Innere Medizin mit Zusatzweiterbildung Präventivmedizin und seit 12 Jahren auf Lebensstilmedizin und Gesundheitsprävention spezialisiert. Er ist zertifizierter Lifestyle Medicine Physician und arbeitet in einer auf Präventivmedizin spezialisierten Privatpraxis in München. Seine Expertise umfasst evidenzbasierte Präventionsstrategien, Schlafmedizin und die Behandlung chronischer Stresserkrankungen.