Veröffentlicht am März 11, 2024

Zusammenfassend:

  • Mehr Vorsorge ist nicht immer besser und kann durch Überdiagnostik und unnötige Behandlungen schaden.
  • Erstellen Sie einen persönlichen, risikobasierten Vorsorgeplan in strukturierten Schritten, um die Kontrolle zu behalten.
  • Prüfen Sie Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) kritisch; die meisten haben keinen nachgewiesenen Nutzen.
  • Konzentrieren Sie sich auf die gesetzlichen Früherkennungsprogramme, deren Nutzen-Schaden-Abwägung positiv ist.
  • Ein präventiver Lebensstil bleibt die wirksamste Maßnahme, um chronischen Krankheiten vorzubeugen.

Das Gefühl ist vielen vertraut: Man möchte für die eigene Gesundheit vorsorgen, nichts Wichtiges verpassen, aber gleichzeitig überrollt einen die Flut an Informationen und Angeboten. Die Angst, eine ernsthafte Erkrankung zu übersehen, steht der Sorge vor unnötigen Untersuchungen, falschen Alarmen und der sogenannten Überdiagnostik gegenüber. Viele fragen sich: Welche Vorsorge ist wirklich nötig? Und welche gut gemeinten Angebote richten am Ende vielleicht mehr Schaden an, als sie nutzen?

Dabei ist es wichtig, zwischen echter Vorsorge (Prävention), die das Entstehen von Krankheiten verhindert, und Früherkennung, die Krankheiten in einem frühen, besser behandelbaren Stadium aufspüren soll, zu unterscheiden. Oft wird beides unter dem Begriff „Vorsorge“ zusammengefasst. Die üblichen Ratschläge erschöpfen sich oft in dem Appell, alle verfügbaren Screenings wahrzunehmen. Doch dieser Ansatz greift zu kurz. Er ignoriert die Risiken von Überdiagnostik und die entscheidende Rolle Ihrer persönlichen Risikofaktoren.

Dieser Artikel verfolgt einen anderen Weg. Statt Ihnen eine bloße Checkliste zu präsentieren, gibt er Ihnen eine evidenzbasierte Strategie an die Hand. Die Kernbotschaft lautet: Sinnvolle Vorsorge ist kein passives Abhaken von Terminen, sondern ein aktiver Managementprozess Ihrer persönlichen Gesundheitsrisiken. Sie werden lernen, wie Sie zum kompetenten Partner Ihres Arztes werden, informierte Entscheidungen treffen und gezielt „Nein“ zu fragwürdigen Angeboten sagen. So erlangen Sie die Sicherheit, das Richtige für Ihre Gesundheit zu tun – nicht zu viel und nicht zu wenig.

In den folgenden Abschnitten erfahren Sie, warum das „Viel-hilft-viel“-Prinzip in der Medizin oft falsch ist, wie Sie Ihren persönlichen Vorsorgeplan systematisch entwickeln, welche Kriterien bei der Entscheidung für oder gegen Selbstzahlerleistungen helfen und welche gesetzlichen Untersuchungen in welchem Alter tatsächlich empfohlen werden.

Warum mehr Vorsorge nicht immer besser ist: Das Überdiagnostik-Phänomen?

Der Gedanke, durch möglichst viele Untersuchungen jede Krankheit im Keim zu ersticken, ist verlockend. Doch die medizinische Evidenz zeichnet ein anderes Bild: Mehr ist nicht immer besser. Das zentrale Problem ist die Überdiagnostik. Darunter versteht man die Diagnose von Krankheiten oder Anomalien, die dem Betroffenen zu Lebzeiten niemals Probleme bereitet hätten. Diese Diagnosen führen oft zu einer diagnostischen Kaskade – einer Kette von weiteren, oft invasiven Untersuchungen und Behandlungen, die mit Risiken, Ängsten und Kosten verbunden sind, ohne einen gesundheitlichen Nutzen zu bringen.

Ein Paradebeispiel sind viele der sogenannten Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL). Laut IGeL-Report 2024 des Medizinischen Dienstes Bund setzen Arztpraxen in Deutschland jährlich rund 2,4 Milliarden Euro mit fragwürdigen IGeL um. Eine der häufigsten und umstrittensten ist der Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung. Dieses Screening hat keinen nachgewiesenen Nutzen in Bezug auf die Sterblichkeit, führt aber häufig zu falsch-positiven Befunden und unnötigen Operationen.

Bei diesen Untersuchungen kann es zu vielen falsch-positiven Ergebnissen und dadurch zu unnötigen weiteren Untersuchungen und Eingriffen kommen, die den Patientinnen schaden können.

– Medizinischer Dienst Bund, IGeL-Monitor Pressemitteilung

Im Gegensatz dazu stehen evidenzbasierte Früherkennungsprogramme wie die Darmkrebsvorsorge. Diese ist eine vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) empfohlene Kassenleistung mit nachgewiesenem Nutzen. Sie kann nicht nur Krebs früh entdecken, sondern durch die Entfernung von Polypen (Krebsvorstufen) dessen Entstehung sogar verhindern. Der entscheidende Unterschied liegt in der soliden wissenschaftlichen Grundlage und einer positiven Nutzen-Schaden-Abwägung, die bei vielen IGeL-Angeboten fehlt.

Wie Sie Ihren individuellen Vorsorgeplan in 4 Schritten entwickeln?

Ein sinnvoller Vorsorgeplan ist kein Standardprodukt, sondern Maßarbeit. Er muss Ihre persönlichen Risiken, Ihre Werte und die wissenschaftliche Evidenz berücksichtigen. Statt passiv Angebote anzunehmen, werden Sie zum Architekten Ihrer Gesundheitsstrategie. Die folgende Anleitung hilft Ihnen, diesen Prozess strukturiert anzugehen und im Arztgespräch die richtigen Fragen zu stellen. Ziel ist eine informierte Partizipation, bei der Sie gemeinsam mit Ihrem Arzt die besten Entscheidungen für sich treffen.

Visuelle Darstellung einer Entscheidungsmatrix für persönliche Vorsorgeplanung

Die visuelle Darstellung einer Entscheidungsmatrix symbolisiert diesen Prozess: Verschiedene Faktoren – wie Ihr persönliches Risiko, der nachgewiesene Nutzen einer Maßnahme und mögliche Schäden – werden systematisch geordnet und gewichtet. So entsteht eine klare, nachvollziehbare Entscheidungsgrundlage, die über ein reines Bauchgefühl hinausgeht.

Ihr Aktionsplan: In 5 Schritten zum persönlichen Vorsorgekonzept

  1. Systematische Risikoanalyse: Erstellen Sie einen Familien-Gesundheitsstammbaum. Notieren Sie, welche schweren Erkrankungen (z.B. Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen) bei Verwandten ersten und zweiten Grades und in welchem Alter auftraten. Ergänzen Sie dies um Ihre persönlichen Lebensstil-Faktoren (Rauchen, Ernährung, Bewegung).
  2. Fakten-Check der Kassenleistungen: Informieren Sie sich vorab über die für Ihr Alter und Geschlecht empfohlenen gesetzlichen Früherkennungsprogramme. Verlässliche Quellen sind die Seiten des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) oder des Krebsinformationsdienstes.
  3. Vorbereitung des Arztgesprächs: Formulieren Sie konkrete Fragen. Anstatt „Was soll ich tun?“, fragen Sie: „Aufgrund meiner Familienanamnese, wie schätzen Sie mein persönliches Risiko für X ein? Welchen nachgewiesenen Nutzen hat Screening Y für meine Risikogruppe? Was sind die Risiken (z.B. Falsch-positive-Rate)?“
  4. Gemeinsame Nutzen-Schaden-Abwägung: Treffen Sie die Entscheidung gemeinsam mit Ihrem Arzt. Bewerten Sie den potenziellen Nutzen (z.B. Senkung der Sterblichkeit) gegen den potenziellen Schaden (z.B. Überdiagnostik, unnötige Eingriffe, psychischer Stress).
  5. Plan dokumentieren und umsetzen: Halten Sie die getroffenen Entscheidungen in einem persönlichen Vorsorge-Pass fest. Notieren Sie, welche Untersuchungen Sie wann durchführen lassen und warum Sie sich bewusst gegen andere entschieden haben. Planen Sie die konkreten Termine.

Dieser strukturierte Ansatz verwandelt Unsicherheit in Klarheit. Er befähigt Sie, die Verantwortung für Ihre Gesundheit aktiv zu gestalten, anstatt sie nur zu konsumieren.

IGeL-Vorsorge oder Kassenleistung: Wann lohnt sich Selbstzahlung wirklich?

In deutschen Arztpraxen wird Patienten häufig eine Vielzahl von Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) angeboten. Dabei handelt es sich um Untersuchungen und Behandlungen, die nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehören und daher privat bezahlt werden müssen. Das Versprechen lautet oft: „Mehr Sicherheit“ oder „modernste Medizin“. Doch ist das wirklich der Fall? Die kritische Auseinandersetzung mit IGeL ist ein zentraler Baustein einer souveränen Vorsorgestrategie.

Der Grund, warum eine Leistung eine IGeL ist und keine Kassenleistung, ist in der Regel nicht, dass sie „zu neu“ ist, sondern dass ihr Nutzen vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) als nicht ausreichend belegt oder die Nutzen-Schaden-Abwägung als negativ bewertet wurde. Eine aktuelle Statista-Auswertung des IGeL-Monitors zeigt ein ernüchterndes Bild: Von 56 bewerteten IGeL-Leistungen wurden 30 als „tendenziell negativ“ oder „negativ“ eingestuft und nur 3 als „tendenziell positiv“.

Die folgende Übersicht, basierend auf Bewertungen des IGeL-Monitors, verdeutlicht, wie unterschiedlich die Evidenzlage sein kann. Sie zeigt Beispiele für Leistungen mit Hinweisen auf einen Nutzen im Vergleich zu solchen, bei denen die Risiken überwiegen.

Bewertung ausgewählter IGeL-Leistungen
Bewertung IGeL-Leistung Begründung
Tendenziell positiv Immunstimulation bei Blasenentzündung Studienergebnisse zeigen Hinweise auf einen Nutzen bei wiederkehrenden Infekten.
Negativ Ultraschall der Eierstöcke zur Krebsfrüherkennung Viele falsch-positive Ergebnisse, kein belegter Nutzen zur Senkung der Sterblichkeit.
Negativ Hyaluronsäure-Injektionen bei Kniegelenksarthrose Erhöhtes Schadensrisiko (z.B. Infektionen) ohne nachgewiesenen langfristigen Nutzen.

Bevor Sie einer IGeL zustimmen, fragen Sie gezielt nach der wissenschaftlichen Evidenz. Sätze wie „Das kann man mal machen“ sind kein guter Ratgeber. Eine legitime IGeL kann in seltenen Fällen bei einem individuell stark erhöhten Risiko sinnvoll sein, doch die Regel ist dies nicht. Wenn Sie eine IGeL ablehnen möchten, genügt ein freundliches, aber bestimmtes: „Vielen Dank für das Angebot, aber ich möchte mich auf die empfohlenen Kassenleistungen konzentrieren.“

Die 3 Gründe, warum 60% die Krebsvorsorge aufschieben

Obwohl Deutschland über ein umfassendes gesetzliches Früherkennungsprogramm verfügt, werden die Angebote nur zögerlich angenommen. Die im Titel genannte Zahl von 60 % ist ein oft zitierter Richtwert für den Anteil der Berechtigten, die nicht teilnehmen. Die Realität ist je nach Geschlecht und Untersuchungsart noch differenzierter. Statistiken zur Vorsorgeuntersuchung zeigen, dass zwar knapp 50 % aller anspruchsberechtigten Frauen regelmäßig zur Krebsfrüherkennung gehen, es bei Männern ab 45 aber noch nicht einmal 20 % sind. Die Gründe dafür sind vielfältig, lassen sich aber oft auf drei Kernbarrieren reduzieren.

  1. Prokrastination und organisatorische Hürden: Der Alltag ist voll, der Gedanke an einen Arzttermin unangenehm, und so wird die Terminvereinbarung immer wieder aufgeschoben. Die als „Termin-Hürde“ bekannte Schwierigkeit, zeitnah einen Facharzttermin zu bekommen, verstärkt dieses Problem.
  2. Angst vor dem Ergebnis: Die Sorge vor einer schlechten Nachricht ist eine starke psychologische Barriere. Viele Menschen verdrängen das Thema lieber, nach dem Motto: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.“ Diese Vermeidungsstrategie ist menschlich, aber langfristig riskant.
  3. Fehlendes Risikobewusstsein oder Unterschätzung des Nutzens: Insbesondere jüngere Menschen oder solche, die sich gesund fühlen, halten Vorsorge oft für etwas, das nur „die anderen“ betrifft. Der präventive Charakter von Früherkennung – also die Chance, eine Krankheit in einem heilbaren Stadium zu finden – wird dabei unterschätzt.

Gegen diese Hürden gibt es wirksame Strategien. Gegen die organisatorischen Probleme helfen digitale Lösungen und zentrale Anlaufstellen. Die Techniker Krankenkasse bietet beispielsweise mit dem TK-VorsorgePlaner einen kostenlosen Service, der an Termine erinnert. Unabhängig von der Kasse können Termine über die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen unter der bundesweiten Telefonnummer 116117 oder online vereinbart werden, was die Termin-Hürde oft deutlich reduziert. Der beste Weg, die Angst vor dem Ergebnis zu überwinden, ist, die Vorsorge als einen proaktiven Akt der Selbstfürsorge zu betrachten – als eine Möglichkeit, die Kontrolle über die eigene Gesundheit zu behalten, statt passiv auf Symptome zu warten.

Wie oft sollten Sie welche Vorsorge wiederholen: Jährlich oder alle 3 Jahre?

Die Intervalle für Vorsorgeuntersuchungen wirken manchmal willkürlich. Warum der „Check-up 35“ nur alle drei Jahre? Warum der Test auf Gebärmutterhalskrebs plötzlich seltener? Diese Abstände sind jedoch keine Sparmaßnahme, sondern das Ergebnis sorgfältiger wissenschaftlicher Abwägungen. Sie basieren auf der sogenannten Latenzzeit von Krankheiten – also der durchschnittlichen Zeit, die eine Erkrankung von ihren ersten, nicht spürbaren Anfängen bis zu einem Stadium braucht, in dem sie Symptome verursacht oder durch einen Test nachweisbar wird.

Ein zu kurzes Intervall erhöht das Risiko von Überdiagnostik und falsch-positiven Befunden, ohne den Nutzen nennenswert zu steigern. Ein zu langes Intervall birgt die Gefahr, eine schnell fortschreitende Erkrankung zu verpassen. Die vom G-BA festgelegten Intervalle sind der Versuch, den optimalen Punkt zwischen maximalem Nutzen und minimalem Schaden zu finden. Die Änderung beim Zervixkarzinom-Screening ist ein gutes Beispiel für diese evidenzbasierte Anpassung: Seit 2020 wird für Frauen ab 35 eine Ko-Testung (Pap-Abstrich plus HPV-Test) empfohlen. Da diese Kombination eine höhere Empfindlichkeit hat und eine HPV-Infektion als Hauptursache meist Jahre braucht, um Krebs auszulösen, ist ein Intervall von drei Jahren sicher und ausreichend.

Abstrakte Darstellung von Vorsorgeintervallen und zeitlicher Planung

Dennoch ist es wichtig zu verstehen, dass Früherkennung keine absolute Garantie bietet. Es gibt das Phänomen des Intervall-Karzinoms – ein Tumor, der im Zeitraum zwischen zwei empfohlenen Screening-Terminen auftritt und symptomatisch wird. Das unterstreicht, wie wichtig es ist, auch zwischen den Untersuchungen auf Körpersignale zu achten und bei anhaltenden oder ungewöhnlichen Beschwerden einen Arzt aufzusuchen. Vorsorgetermine sind ein Sicherheitsnetz, ersetzen aber nicht die eigene Achtsamkeit.

Welche Vorsorgeuntersuchungen sollten Sie in welchem Alter machen?

Nachdem die strategischen Grundlagen geklärt sind, stellt sich die praktische Frage: Welche konkreten Untersuchungen stehen mir gesetzlich zu und wann? Trotz der nachgewiesenen Wirksamkeit werden viele dieser Angebote kaum genutzt. Aktuelle Erhebungen zeigen, dass beispielsweise nur 17 Prozent aller berechtigten Frauen und Männer die Möglichkeit zum allgemeinen Gesundheits-Check-up alle drei Jahre ab dem 35. Lebensjahr wahrnehmen. Diesen Termin sollten Sie als zentralen Anker Ihrer Vorsorgeplanung betrachten, bei dem auch Ihr individuelles Risikoprofil besprochen wird.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten, vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) für symptomfreie Versicherte empfohlenen Früherkennungsuntersuchungen. Sie ist die Grundlage für Ihren persönlichen Vorsorgeplan. Alle hier genannten Leistungen sind kostenfreie Kassenleistungen.

Gesetzliche Vorsorgeuntersuchungen nach Alter und Geschlecht
Alter Frauen Männer Beide
18-34 Jahre Allgemeiner Gesundheits-Check-up (einmalig)
Ab 20 Jahren Jährliche Genitaluntersuchung (Krebsfrüherkennung Gebärmutterhals)
Ab 35 Jahren Ko-Testung (Pap- und HPV-Test) alle 3 Jahre Gesundheits-Check-up alle 3 Jahre, Hautkrebs-Screening alle 2 Jahre
Ab 45 Jahren Jährliche Genitaluntersuchung (Prostata- und Genitalkrebs-Früherkennung)
Ab 50-54 Jahren Darmkrebs-Screening (jährlicher Test auf Blut im Stuhl) Darmkrebs-Screening (jährlicher Test auf Blut im Stuhl oder 2 Darmspiegelungen im Abstand von 10 Jahren)
50-69 Jahre Mammographie-Screening alle 2 Jahre

Diese Liste ist die evidenzbasierte Grundlage. Alle weiteren, als IGeL angebotenen Screenings sollten Sie mit der in den vorherigen Kapiteln beschriebenen kritischen Haltung hinterfragen. Nutzen Sie diese Übersicht als Gesprächsgrundlage für Ihren nächsten Arzttermin, um Ihren persönlichen Plan zu finalisieren.

Wie Sie in 4 Schritten seriöse von unseriösen eHealth-Apps unterscheiden?

Der digitale Wandel macht auch vor dem Gesundheitswesen nicht Halt. Gesundheits-Apps versprechen, uns bei Prävention, Diagnose und Therapie zu unterstützen. Doch der Markt ist unübersichtlich und nicht jede App, die einen professionellen Eindruck macht, ist auch medizinisch seriös oder datenschutzrechtlich sicher. Es ist entscheidend, zwischen Lifestyle-Anwendungen und zertifizierten Medizinprodukten unterscheiden zu können.

In Deutschland gibt es hierfür eine wichtige regulatorische Instanz: die Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Eine DiGA ist quasi eine „App auf Rezept“. Diese Anwendungen durchlaufen ein strenges Prüfverfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Sie müssen nicht nur ihre Sicherheit und Funktionstauglichkeit, sondern auch einen positiven Versorgungseffekt – also einen echten medizinischen Nutzen – in Studien nachweisen. Erst dann werden sie in das offizielle DiGA-Verzeichnis aufgenommen, können von Ärzten verschrieben und von den Krankenkassen erstattet werden. Im Gegensatz dazu sind die meisten Lifestyle- und Fitness-Apps im App Store nicht reguliert, ihre Wirksamkeit ist oft unklar und der Datenschutz fragwürdig.

Um eine verlässliche App zu identifizieren, können Sie sich an den folgenden Schritten orientieren:

  1. Prüfen Sie die DiGA-Zertifizierung: Der erste und wichtigste Schritt ist die Recherche im offiziellen DiGA-Verzeichnis des BfArM. Ist eine App hier gelistet, hat sie den höchsten Qualitätsstandard in Deutschland erfüllt.
  2. Kontrollieren Sie den Datenschutz: Lesen Sie die Datenschutzerklärung. Seriöse Anbieter, insbesondere DiGAs, müssen die strenge Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einhalten. Achten Sie auf den Server-Standort (idealweise Deutschland oder EU) und darauf, welche Daten zu welchem Zweck erhoben werden.
  3. Hinterfragen Sie die Evidenz: Behauptet die App, eine Krankheit zu verbessern oder zu erkennen? Fragen Sie nach den wissenschaftlichen Belegen. Seriöse Anbieter verlinken auf die Studien, die ihre Wirksamkeit belegen. Vage Werbeversprechen sind ein Warnsignal.
  4. Vergleichen Sie den Zweck: Handelt es sich um eine reine Lifestyle-App zur Motivation (z.B. Schrittzähler) oder um eine Anwendung mit einem klaren medizinischen Ziel (z.B. Unterstützung bei Diabetes-Management)? Für letzteres sollten Sie immer auf eine DiGA-Zertifizierung bestehen.

Diese Prüfschritte helfen Ihnen, die digitalen Werkzeuge zu finden, die Ihre Gesundheitsstrategie sinnvoll unterstützen, anstatt neue Risiken durch Falschinformationen oder mangelhaften Datenschutz zu schaffen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Überdiagnostik ist ein reales Risiko: Nicht jede gefundene Anomalie wird zur Krankheit. Unnötige Screenings können zu einer Kaskade von schädlichen Eingriffen führen.
  • Ihr Plan ist individuell: Eine sinnvolle Vorsorge basiert auf Ihrer persönlichen und familiären Risikosituation, nicht auf einer pauschalen Checkliste.
  • Kassenleistungen sind die Basis: Konzentrieren Sie sich auf die gesetzlichen Früherkennungsprogramme, da deren Nutzen-Schaden-Abwägung durch den G-BA positiv bewertet wurde.

Wie Sie durch präventiven Lebensstil chronische Krankheiten vermeiden

Bei aller Diskussion um das richtige Maß an Früherkennung darf die wirksamste Form der Vorsorge nicht in den Hintergrund treten: die Primärprävention. Sie zielt darauf ab, das Entstehen von Krankheiten von vornherein zu verhindern. Die vier Säulen eines präventiven Lebensstils sind wissenschaftlich unumstritten und haben einen größeren Einfluss auf Ihre langfristige Gesundheit als die meisten Screenings: ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung, Nichtrauchen und ein maßvoller Umgang mit Alkohol.

Diese Faktoren beeinflussen maßgeblich das Risiko für die häufigsten chronischen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Leiden, Typ-2-Diabetes und viele Krebsarten. Während Früherkennung darauf abzielt, eine bereits entstandene Krankheit früh zu finden, setzt ein gesunder Lebensstil eine Stufe früher an und reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass die Krankheit überhaupt erst entsteht. Die Kombination aus beidem ist der Goldstandard. Langzeitstudien belegen beispielsweise, dass seit der Einführung des gesetzlichen Anspruchs auf Vorsorgeuntersuchungen die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland um sieben bis acht Jahre gestiegen ist – ein Erfolg, der auf das Zusammenspiel von Früherkennung und einem gestiegenen Gesundheitsbewusstsein zurückzuführen ist.

Denn durch verantwortungsbewusstes Handeln, gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und Früherkennungsuntersuchungen kann jeder viel für seine Gesundheit tun.

– Institut für Präventivmedizin, Vorsorge-Online Ratgeber

Betrachten Sie Ihren Lebensstil daher als das Fundament Ihres Gesundheitshauses. Die Früherkennungsuntersuchungen sind die Rauchmelder und die Alarmanlage. Sie sind wichtig, um im Notfall zu warnen, aber das primäre Ziel sollte immer sein, das Feuer gar nicht erst ausbrechen zu lassen. Jede positive Veränderung im Alltag ist eine direkte Investition in Ihre gesundheitliche Zukunft.

Nutzen Sie dieses Wissen, um das nächste Gespräch mit Ihrem Arzt vorzubereiten und souverän die richtigen Entscheidungen für Ihre langfristige Gesundheit zu treffen.

Häufige Fragen zur Planung von Vorsorgeuntersuchungen

Warum findet der Check-up 35 nur alle 3 Jahre statt?

Die Intervalle berücksichtigen die Latenzzeit von Krankheiten – die Zeit, die eine Erkrankung braucht, um sich zu entwickeln und durch einen Test erkennbar zu werden. Ein dreijähriges Intervall für den allgemeinen Gesundheitszustand gilt als optimaler Kompromiss zwischen Nutzen und dem Risiko von Überdiagnostik.

Warum wurde der Zervixkarzinom-Abstrich ab 35 auf alle 3 Jahre geändert?

Seit 2020 wird für Frauen ab 35 die Ko-Testung (Pap-Abstrich plus HPV-Test) empfohlen. Diese Kombination ist deutlich empfindlicher bei der Erkennung von Krebsvorstufen. Da die Entwicklung von Gebärmutterhalskrebs durch HP-Viren meist viele Jahre dauert, ist ein Intervall von drei Jahren bei unauffälligem Befund sicher und ausreichend.

Was ist ein Intervall-Karzinom?

Ein Intervall-Karzinom ist eine Krebserkrankung, die im Zeitraum zwischen zwei empfohlenen Vorsorgeterminen auftritt und Symptome verursacht. Dies zeigt, dass Screenings keine hundertprozentige Sicherheit bieten. Deshalb ist es entscheidend, auch zwischen den Terminen auf neue oder anhaltende Körpersignale zu achten und diese ärztlich abklären zu lassen.

Geschrieben von Martin Weber, Dr. Martin Weber ist Facharzt für Innere Medizin mit Zusatzweiterbildung Präventivmedizin und seit 12 Jahren auf Lebensstilmedizin und Gesundheitsprävention spezialisiert. Er ist zertifizierter Lifestyle Medicine Physician und arbeitet in einer auf Präventivmedizin spezialisierten Privatpraxis in München. Seine Expertise umfasst evidenzbasierte Präventionsstrategien, Schlafmedizin und die Behandlung chronischer Stresserkrankungen.