Veröffentlicht am März 15, 2024

Die größte Hürde für echte kulturelle Erlebnisse ist nicht fehlendes Wissen, sondern die eigene Angst vor Ablehnung, die Sie zum passiven Beobachter macht.

  • Ihre respektvolle Neugier wird von Einheimischen fast immer als Ehre, nicht als Störung empfunden.
  • Aktive, kleine Gesten der Teilnahme sind wirkungsvoller als distanzierter, stiller Respekt.

Empfehlung: Beginnen Sie damit, Ihre Rolle neu zu definieren – Sie sind kein potenzieller Störfaktor, sondern ein willkommener Gast, der eine Einladung zur Teilhabe annehmen darf.

Die Szene ist vielen kulturinteressierten Reisenden vertraut: Man steht am Rande eines farbenfrohen, lokalen Festes, die Musik spielt, Menschen lachen und tanzen, doch eine unsichtbare Barriere hält einen zurück. Man möchte teilhaben, eintauchen, aber die Angst, etwas falsch zu machen, aufdringlich zu wirken oder die Tradition zu stören, führt zu einer passiven Zuschauerrolle. Viele glauben, dass Zurückhaltung die höchste Form des Respekts sei. Man macht Fotos aus der Ferne, probiert vielleicht eine lokale Spezialität, aber bleibt doch immer ein Außenseiter, der durch eine unsichtbare kulturelle Glaswand blickt.

Dieser Ansatz basiert auf der verständlichen Sorge, als Tourist negativ aufzufallen. Doch was, wenn diese vorsichtige Distanz genau das Gegenteil von dem bewirkt, was sie beabsichtigt? Was, wenn sie als Desinteresse missverstanden wird und gerade die Brücken verhindert, die man eigentlich bauen möchte? Die wahre Kunst des kulturellen Eintauchens liegt nicht darin, unsichtbar zu werden, sondern darin, auf eine informierte und offene Weise sichtbar zu werden. Es geht darum, das Mindset vom passiven Beobachter zum aktiven, wenn auch lernenden, Teilnehmer zu wandeln.

Dieser Leitfaden bricht mit der Vorstellung, dass Sie als Außenstehender stören. Er zeigt Ihnen, basierend auf interkultureller Erfahrung, wie Ihre respektvolle Neugier zu einem Geschenk für die lokale Gemeinschaft werden kann. Wir werden das „Teilnahme-Paradox“ auflösen und Ihnen konkrete Werkzeuge an die Hand geben, um die unsichtbare Wand zu durchbrechen – nicht mit Lärm, sondern mit Feingefühl, Empathie und der Bereitschaft, eine Einladung anzunehmen.

Die folgenden Abschnitte bieten Ihnen einen praxisnahen Fahrplan. Sie lernen, wie Sie die Signale für eine Teilnahme-Einladung erkennen, angemessen um Erlaubnis bitten und durch kleine Gesten große Verbindungen schaffen. So wird Ihre nächste Reise zu einer echten Begegnung auf Augenhöhe.

Warum Ihre Zurückhaltung oft mehr verletzt als respektvolle Neugier?

Die größte Fehleinschätzung vieler Reisender ist der Glaube, dass maximale Zurückhaltung der beste Weg sei, Respekt zu zeigen. In Wirklichkeit entsteht dadurch oft das, was man als „Teilnahme-Paradox“ bezeichnen könnte: Aus Angst, aufdringlich zu sein, ziehen Sie sich zurück, wirken dadurch aber distanziert oder desinteressiert. Für eine Gemeinschaft, die stolz auf ihre Traditionen ist, kann ein stiller Beobachter am Rand befremdlicher wirken als jemand, der einen unbeholfenen, aber herzlichen Versuch unternimmt, mitzumachen. Ihr Zögern wird selten als Respekt, sondern eher als mangelndes Interesse interpretiert.

Kulturen und ihre Feste sind keine Museumsexponate, die man nur hinter einer Glasscheibe betrachten darf. Sie sind lebendige, atmende Organismen, die vom Austausch und der Interaktion leben. Eine Studie fand heraus, dass für fast 31 % der Befragten das Zusammensein mit anderen Kulturen ein wesentlicher Bestandteil ihrer Reiseerfahrung ist. Diese Interaktion ist keine Einbahnstraße. Viele Gemeinschaften wünschen sich den Austausch und sind stolz, ihre Bräuche zu teilen.

Ein hervorragendes Beispiel aus Deutschland sind Feste im Rheinland, wie der Karneval. Wie eine Analyse zeigt, sind diese Veranstaltungen bewusst so konzipiert, dass sowohl Einheimische als auch Besucher aktiv teilnehmen können. Die Strukturen fördern persönliche Gespräche und gemeinsames Feiern. Ihre Neugier ist hier kein Eindringen, sondern der Treibstoff, der das Fest am Laufen hält. Indem Sie eine Frage stellen oder auf ein Lächeln reagieren, senden Sie ein wichtiges Signal: „Ich sehe dich, ich schätze deine Kultur und ich möchte sie verstehen.“ Diese Geste ist oft wertvoller als jede stille Ehrerbietung aus der Ferne.

Wie Sie um Erlaubnis zur Teilnahme bitten in 5 kulturell angemessenen Schritten?

Der Übergang vom Beobachter zum Teilnehmer beginnt mit einem entscheidenden Moment: der Bitte um Erlaubnis. Dies muss nicht immer eine formelle Frage sein; oft ist es eine Geste oder eine Handlung, die Interesse signalisiert. Der Schlüssel liegt darin, eine „kulturelle Einladung“ zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Anstatt zu fragen: „Darf ich mitmachen?“, was Druck erzeugen kann, ist es oft besser, durch Ihr Verhalten zu zeigen, dass Sie teilnehmen möchten. Ein Lächeln, ein anerkennendes Nicken oder das rhythmische Mitwippen zur Musik sind universelle Signale, die Türen öffnen können.

Nonverbale Kommunikation ist hierbei Ihr wichtigstes Werkzeug. Sie überbrückt Sprachbarrieren und drückt Respekt und Offenheit aus. Beobachten Sie die Interaktionen der Einheimischen. Wird viel gelacht und sind die Gruppen offen? Oder handelt es sich um eine ernste, geschlossene Zeremonie? Ihre Beobachtungsgabe ist der erste Schritt zur respektvollen Annäherung. Das Bild unten symbolisiert, wie aus getrennten Händen eine Gemeinschaft entstehen kann, wenn die Geste stimmt.

Besucher macht einladende Geste bei lokalem Straßenfest

Wie dieses symbolische Teilen eines Brotes zeigt, geht es um das Schaffen von „Beziehungsbrücken“. Eine einfache, offene Geste kann mehr bewirken als tausend Worte. Wenn Sie sich bereit fühlen, den nächsten Schritt zu wagen, bietet die folgende Checkliste eine konkrete Orientierung für eine sensible und erfolgreiche Annäherung bei deutschen Traditionen.

Ihr Plan zur respektvollen Teilnahme: 5 Schritte zum Erfolg

  1. Informieren: Recherchieren Sie vorab die Bedeutung und die typischen Abläufe des Festes. Wissen über den Hintergrund zeigt echten Respekt.
  2. Kommunizieren: Suchen Sie das Gespräch. Eine einfache Frage wie „Was wird hier gefeiert?“ oder ein Kompliment zur Organisation öffnet Türen.
  3. Adaptieren: Lernen Sie eine typische Redewendung, einen Gruß („Alaaf!“, „Helau!“) oder den Refrain eines Liedes. Das signalisiert den Willen zur Integration.
  4. Anpassen: Passende Kleidung, wie Tracht bei bayerischen Festen, ist ein starkes Zeichen der Wertschätzung. Wenn unpassend, ist saubere, respektvolle Kleidung ausreichend.
  5. Interesse zeigen: Stellen Sie offene Fragen, hören Sie aufmerksam zu und zeigen Sie durch Ihre Körpersprache, dass Sie die Tradition und die Menschen dahinter ehren.

Geldgeschenk, Mitbringsel oder Arbeitshilfe: Was ist bei Traditionen angemessen?

Wenn Sie einmal die erste Hürde genommen haben und sich als willkommener Gast fühlen, stellt sich oft die nächste Frage: Wie kann ich mich angemessen revanchieren oder einbringen? Diese „Gegenseitigkeitsgesten“ sind entscheidend, um die Rolle des reinen Konsumenten zu verlassen. Die Art der Geste hängt stark von der jeweiligen Tradition und dem sozialen Kontext ab. Ein unpassendes Geschenk kann ebenso befremdlich wirken wie gar keines.

Grundsätzlich gilt: Persönliche und durchdachte Gesten sind fast immer besser als unpersönliche Geldgeschenke. Ein Mitbringsel aus Ihrer Heimatregion kann ein wunderbarer Gesprächsöffner sein. Eine weitere, oft hochgeschätzte Geste ist das Angebot, tatkräftig zu helfen – sei es beim Aufräumen nach einem Polterabend oder beim Aufbau für ein Gemeindefest. Dies zeigt, dass Sie nicht nur nehmen, sondern auch geben wollen. Die Expertin Oxana Ruff von der Perfekt Deutsch Sprachakademie fasst die Haltung vieler Einheimischer treffend zusammen:

Viele Menschen sind stolz auf ihre Traditionen und fühlen sich geehrt, wenn ein Außenstehender ehrliches Interesse zeigt.

– Oxana Ruff, Perfekt Deutsch Sprachakademie

Dieses ehrliche Interesse kann sich eben auch in einer passenden Geste ausdrücken. Um Ihnen eine konkrete Orientierung für typische deutsche Anlässe zu geben, zeigt die folgende Tabelle, welche Gesten gut ankommen und was Sie besser vermeiden sollten.

Angemessene Gesten bei verschiedenen deutschen Traditionen
Tradition/Fest Angemessene Geste Zu vermeiden
Oktoberfest Tracht tragen, lokale Spezialitäten teilen Übermäßiges Fotografieren ohne Erlaubnis
Polterabend Beim Aufräumen helfen, kleine persönliche Geschenke Teure, protzige Geschenke
Erntedankfest Regionale Spezialitäten mitbringen, bei Vorbereitungen helfen Geldgeschenke (außer bei expliziter Tradition)
Weihnachtsmarkt Handgemachte Geschenke aus der Heimat Kommerzielle Massenware

Die 4 Verhaltensweisen, die aus willkommenen Gästen unerwünschte Eindringlinge machen

Trotz bester Absichten gibt es Verhaltensweisen, die eine offene Atmosphäre schnell kippen lassen können. Diese Fauxpas entstehen meist nicht aus Bosheit, sondern aus Unwissenheit oder einer falschen Annahme über die Natur des Festes. Wer diese Fallstricke kennt, kann sie leicht vermeiden und bleibt ein geschätzter Gast. Es geht darum, ein Gespür für die Grenze zwischen enthusiastischer Teilnahme und respektloser Vereinnahmung zu entwickeln.

Basierend auf häufigen Beobachtungen bei deutschen Festen lassen sich vier Hauptkategorien von Fehlverhalten identifizieren:

  1. Die Tradition als bloße Kulisse behandeln: Viele Besucher, besonders beim Karneval, sehen nur die Verkleidung und die Party. Sie übersehen, dass dahinter oft jahrhundertealte Bräuche und ein tiefes Gemeinschaftsgefühl stehen. Wer die Tradition nur als Hintergrund für die eigene Inszenierung nutzt, ohne den Kern zu respektieren, wird schnell als Störfaktor wahrgenommen. Es geht um Resonanz statt reiner Beobachtung oder Selbstdarstellung.
  2. Passive Konsumhaltung einnehmen: Besonders bei Festen wie dem Erntedankfest, das Gemeinschaft und Dankbarkeit zelebriert, wirkt eine rein konsumierende Haltung fehl am Platz. Wer nur fotografiert, isst und wieder geht, ohne ein Gespräch zu suchen oder Dankbarkeit zu zeigen, verpasst die Essenz des Festes und signalisiert Distanz.
  3. Lokale Codes und Grenzen ignorieren: Jedes Fest hat seine eigenen Regeln, geschrieben und ungeschrieben. Beim Oktoberfest beispielsweise wird das Tragen von Tracht geschätzt, aber übermäßiger Alkoholkonsum, der zu respektlosem Verhalten führt, wird nicht toleriert. Wer sich nicht die Mühe macht, die grundlegenden Verhaltensregeln zu beobachten und zu respektieren, wird schnell als Eindringling gesehen.
  4. Überlegenheit oder Besserwisserei ausstrahlen: Nichts ist für eine Gemeinschaft verletzender als ein Gast, der ihre Bräuche belächelt, kritisiert oder mit den eigenen vergleicht („Bei uns machen wir das aber besser so…“). Offenheit und die Bereitschaft zu lernen sind essenziell. Jede Form von Arroganz, auch wenn sie unbewusst ist, zerstört sofort jede Beziehungsbrücke.

Diese Verhaltensweisen haben eines gemeinsam: Sie zeugen von einem Mangel an Empathie und Beobachtungsgabe. Der Schlüssel zur Vermeidung liegt darin, stets mit einer Haltung der Demut und Neugier an eine neue Kultur heranzutreten.

Wann sollten Sie versuchen, in Traditionen einzutauchen: Tag 2 oder Tag 8?

Das richtige Timing ist ein oft unterschätzter Faktor für eine erfolgreiche kulturelle Immersion. Die Frage ist nicht nur *wie*, sondern auch *wann* man den Schritt vom Beobachter zum Teilnehmer wagt. Sollte man sofort am ersten Tag ins Geschehen eintauchen oder ist es besser, sich erst einige Tage zu akklimatisieren? Die Antwort lautet: Es kommt darauf an, aber eine Phase der Beobachtung ist fast immer der klügere erste Schritt. Große Volksfeste sind in Deutschland extrem beliebt, was die Dynamik komplex macht. Eine Umfrage bestätigt, dass für rund 23,5 % der Deutschen große Volksfeste zu den beliebtesten Veranstaltungen gehören.

Am ersten Tag an einem neuen Ort sind Sie noch dabei, die grundlegenden Rhythmen und Codes der Umgebung zu entschlüsseln. Ein zu forsches Vorgehen kann hier schnell als uninformiert und plump wahrgenommen werden. Nutzen Sie den ersten Tag (oder die ersten Stunden), um zu beobachten: Wie interagieren die Menschen? Was ist der allgemeine Ton – ausgelassen oder formell? Wer sind die Organisatoren oder zentralen Figuren? Diese Beobachtungsphase ist kein Zögern, sondern aktives Datensammeln.

Ab dem zweiten oder dritten Tag haben Sie bereits ein besseres Gespür für die Situation. Sie können nun gezielter und mit mehr Selbstvertrauen agieren. Sie erkennen vielleicht schon einige Gesichter wieder, was die Kontaktaufnahme erleichtert. Erfolgreiche Integration hängt oft mit der Aufenthaltsdauer zusammen. Je mehr Zeit Sie sich nehmen, um die lokalen Gepflogenheiten kennenzulernen, desto authentischer und willkommener wird Ihre Teilnahme sein. Die offizielle deutsche Tourismuszentrale betont, dass Gäste zur Teilnahme eingeladen sind: „Von alten Handwerkskünsten über historische Feste bis hin zur regionalen Esskultur werden in ganz Deutschland Traditionen gepflegt und das kulturelle Erbe bewahrt – und Sie sind eingeladen, mitzumachen.“ Die erfolgreichste Teilnahme geschieht, wenn man sich Zeit lässt.

Der ideale Zeitpunkt für den Versuch, tiefer einzutauchen, ist also nicht unbedingt an Tag 1, sondern dann, wenn Ihre anfängliche Beobachtung in ein grundlegendes Verständnis übergegangen ist. Es ist ein gradueller Prozess: von Beobachtung zu kleiner Interaktion, zu aktiver Teilnahme.

Wie Sie essen, wann Einheimische essen für authentische Erlebnisse?

Essen ist eine der universellsten und zugänglichsten Formen des kulturellen Austauschs. Doch auch hier gibt es einen gewaltigen Unterschied zwischen dem touristischen Konsumieren von Speisen und dem echten Teilen einer kulinarischen Kultur. Der Schlüssel liegt darin, sich dem Rhythmus der Einheimischen anzupassen – sowohl zeitlich als auch örtlich. Authentische Erlebnisse finden selten in Restaurants mit mehrsprachigen Speisekarten zur besten Touristenzeit statt. Das wahre kulinarische Herz einer Region schlägt woanders.

Der erste Schritt ist die Anpassung an die lokalen Essenszeiten. In vielen Teilen Deutschlands ist das Mittagessen zwischen 12 und 14 Uhr die Hauptmahlzeit des Tages, während das Abendessen oft früher und leichter ausfällt als in anderen Kulturen (typischerweise zwischen 18 und 20 Uhr). Indem Sie diese Zeiten respektieren, essen Sie nicht nur mit den Einheimischen, sondern auch in Lokalen, die auf sie ausgerichtet sind und oft eine authentischere Küche anbieten.

Der zweite Schritt ist die Wahl des Ortes. Meiden Sie die touristischen Hauptachsen und suchen Sie nach den Orten, an denen das Leben pulsiert. Dies erfordert etwas Mut und Neugier, wird aber fast immer belohnt. Hier sind einige praktische Tipps, um die kulinarischen Pfade der Einheimischen zu finden:

  • Suchen Sie nach Lokalen ohne englische Speisekarte und mit einer handschriftlichen Tageskarte – ein starkes Indiz für frische, saisonale und lokale Küche.
  • Besuchen Sie Wochenmärkte am frühen Morgen. Hier kaufen nicht nur die Einheimischen ein, oft gibt es auch Imbissstände, an denen Sie gemeinsam mit Marktverkäufern und Anwohnern frühstücken.
  • Fragen Sie in einer Gaststätte nach dem „Stammtisch“. Dies ist oft ein großer Tisch, an dem sich Fremde zusammensetzen und ins Gespräch kommen können. Es ist eine urdeutsche Institution der Gemeinschaft.
  • Probieren Sie regionale Spezialitäten während lokaler Feste an den Ständen, die von lokalen Vereinen und nicht von kommerziellen Anbietern betrieben werden.

Indem Sie diese einfachen Regeln befolgen, verwandeln Sie eine Mahlzeit von einer reinen Notwendigkeit in eine echte Beziehungsbrücke. Sie signalisieren Interesse, Respekt und die Bereitschaft, sich auf die Kultur einzulassen – weit über den Tellerrand hinaus.

Mittanzen oder zuschauen: Wann ist welches Verhalten bei Festivals angebracht?

Die Tanzfläche bei einem lokalen Fest: für viele der Inbegriff von Teilnahme, aber auch eine Quelle großer Unsicherheit. Soll ich mittanzen und vielleicht ungeschickt wirken, oder lieber am Rand bleiben und als passiv gelten? Die Antwort liegt in der Kunst des Beobachtens und der schrittweisen Annäherung. Bei großen, internationalen Festen wie dem Oktoberfest, das laut offiziellen Statistiken jährlich über 6 Millionen Menschen anzieht, ist die Hemmschwelle oft niedriger, da die Menge anonymer ist. Hier ist Mittanzen und -singen meist ausdrücklich erwünscht.

Anders verhält es sich bei kleineren, traditionelleren Festen. Hier ist der erste Impuls – das Zuschauen – genau der richtige. Beobachten Sie: Handelt es sich um einen choreografierten, rituellen Tanz einer bestimmten Gruppe (z.B. einer Trachtengruppe) oder um einen freien Tanz, an dem sich jeder zu beteiligen scheint? Das Stören einer einstudierten Aufführung wäre ein grober Fauxpas. Wenn jedoch alle frei tanzen, ist ein Lächeln oder ein Nicken in Richtung der Tanzenden oft schon eine nonverbale Bitte um Erlaubnis. Oft werden Sie dann mit einer einladenden Geste direkt aufgefordert.

Die Erfahrung vieler Expats in Deutschland bestätigt diese Strategie der graduellen Annäherung. Eine Teilnehmerin am Karneval berichtet von ihren Erkenntnissen, die den Kern der Sache treffen:

Das Verständnis und die Teilnahme an diesen Feierlichkeiten können Expats wertvolle Einblicke in die deutsche Kultur bieten und die Möglichkeit bieten, mit der örtlichen Gemeinschaft in Kontakt zu treten. Der Schlüssel sei, zunächst zu beobachten und dann schrittweise teilzunehmen.

– Expat-Teilnehmerin, zitiert in Wir leben in

Der Prozess ist also klar: Beobachten, die Art der Aktivität einschätzen und auf eine Einladung (verbal oder nonverbal) warten oder sie durch positive Signale provozieren. Wenn Sie unsicher sind, ist ein Gespräch mit jemandem am Rand immer eine gute Option. Fragen Sie einfach: „Ist das ein Tanz für alle?“ Die Antwort wird Ihnen den Weg weisen und gleichzeitig eine weitere Beziehungsbrücke bauen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Überwinden Sie das Teilnahme-Paradox: Ihre Angst, zu stören, führt zu Distanz. Respektvolle Neugier wird fast immer als Kompliment verstanden.
  • Beobachtung ist der erste Schritt zur Teilnahme: Nehmen Sie sich Zeit, die sozialen Codes zu verstehen, bevor Sie handeln. Timing ist alles.
  • Kleine Gesten bauen große Brücken: Eine Frage, ein Lächeln oder ein passendes Mitbringsel sind wirkungsvoller als passive, stille Beobachtung.

Wie Sie lokale Festivals als Teilnehmer statt Zuschauer erleben

Nachdem wir die psychologischen Hürden, die richtigen Gesten und das Timing beleuchtet haben, kommen wir zur höchsten Stufe der Teilnahme: dem Wandel vom Gast zum Mitgestalter. Dies ist der ultimative Schritt, um ein Festival nicht nur zu besuchen, sondern es wirklich zu erleben. Es geht darum, eine Rolle zu finden, die über das bloße Konsumieren hinausgeht und einen aktiven Beitrag zur Gemeinschaft und zum Gelingen des Festes leistet. Dieser Ansatz erfordert mehr Engagement, führt aber zu den tiefsten und unvergesslichsten kulturellen Erfahrungen.

Eine der effektivsten Methoden hierfür ist die Freiwilligenarbeit. Viele Festivals, von kleinen Gemeindefesten bis hin zu größeren Kulturveranstaltungen, sind auf die Hilfe von Freiwilligen angewiesen. Indem Sie Ihre Zeit und Arbeitskraft anbieten, erhalten Sie einen einzigartigen Blick hinter die Kulissen. Sie arbeiten Seite an Seite mit den Einheimischen, lernen die Organisatoren kennen und werden Teil des Teams. Analysen zeigen, dass viele deutsche Festivals großen Wert auf lokale Kooperationen und Initiativen legen und aktiv nach Helfern suchen. Dies ist Ihre explizite „kulturelle Einladung“. Sie knüpfen echte Verbindungen und Ihr Beitrag wird zutiefst geschätzt.

Eine weitere Möglichkeit ist das Teilen Ihrer eigenen Fähigkeiten oder Kultur. Können Sie ein Instrument spielen, malen oder haben Sie eine besondere kulinarische Spezialität aus Ihrer Heimat? Bieten Sie an, einen kleinen, informellen Beitrag zum Fest zu leisten. Dies muss nicht auf einer großen Bühne geschehen. Oft sind es die kleinen, spontanen Momente, die am meisten in Erinnerung bleiben. Diese Geste der Gegenseitigkeit verwandelt die Dynamik vollständig: Sie sind nicht mehr nur ein Empfänger kultureller Darbietungen, sondern werden selbst zum Geber.

Letztendlich ist der Weg vom Zuschauer zum Teilnehmer eine bewusste Entscheidung. Es ist die Entscheidung, die eigene Komfortzone zu verlassen, die Angst vor Fehlern abzulegen und sich auf die universelle Sprache der menschlichen Verbindung einzulassen. Es ist die Erkenntnis, dass Kultur kein Produkt ist, das man kauft, sondern eine Beziehung, die man aufbaut.

Beginnen Sie Ihre nächste Reise mit dieser neuen Perspektive. Suchen Sie gezielt nach Möglichkeiten, einen kleinen Beitrag zu leisten, und Sie werden feststellen, dass die Türen zu authentischen Erlebnissen weiter offen stehen, als Sie je zu hoffen gewagt hätten.

Geschrieben von Anna Richter, Dr. Anna Richter ist promovierte Kulturanthropologin und seit 13 Jahren auf ethischen Tourismus und interkulturelle Begegnungen spezialisiert. Sie arbeitet als freiberufliche Reiseanthropologin und Autorin und ist Expertin für verantwortungsvolles Reisen, kulturelle Immersion und nachhaltige Tourismuspraktiken. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen indigene Kulturen, kulturelles Erbe und die Auswirkungen des Tourismus auf lokale Gemeinschaften.